Die Geheimsprache der Juristen

Juristendeutsch - Mit Übersetzung

Recht mit Anwalt - Juristendeutsch als Geheimsprache

 

Juristen sind dafür bekannt, dass sie sich manchmal sehr gestelzt ausdrücken. Sinnvoll ist das in Wirklichkeit nicht. Wenn der Empfänger die Nachricht nicht versteht, was soll er dann schon damit anfangen? Deshalb sind die meisten Anwälte doch bemüht, die Dinge in einfachen Worten zu erklären. Es gibt natürlich einige juristische Fachbegriffe, bei denen das nicht so einfach ist. Es gibt aber auch einige Wörter, die von normalen Menschen ebenso häufig benutzt werden, wie von Juristen - im allgemeinen Sprachgebrauch ist die Bedeutung allerdings eine ganz andere als in der "Juristensprache"...

 

nunmehr, alsbald, mithin

 

Das Wort "nunmehr" kommt wohl nur in juristischen Schriftsätzen vor und ist zugegebenermaßen ein Unwort, aber wir können einfach nicht anders. Dieses Wort gehört in die Kategorie altertümlich, hochtrabend - und etwas albern. "Der Kläger tat nunmehr dies und das." Statt "nunmehr" könnte man auch "nun", "jetzt" oder "dann" schreiben, doch da wäre es kein juristischer Schriftsatz. Ähnliches gilt für "alsbald", wo normale Menschen einfach "bald" sagen. Eine scharfsinnige juristische Schlussfolgerung wird mit "mithin" eingeleitet, alle anderen Menschen sagen "somit".

 

grundsätzlich und in der Regel

 

"Grundsätzlich" ist ein Lieblingswort von Juristen. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird das als "immer" aufgefasst. Bei den Juristen bedeutet es aber nur soviel wie "oft", denn wo ein Grundsatz ist, da gibt es auch Ausnahmen. Das Wort "grundsätzlich" ist für den Juristen ein Sicherheitshaken, denn auf "immer" mag er sich nicht festnageln lassen. Auf "grundsätzlich" ist deshalb grundsätzlich kein Verlass. Gleiches gilt übrigens für "in der Regel" oder "regelmäßig". Auch wenn diese Redewendungen fallen, sollte man sich fragen, ob es nicht eigentlich um die Ausnahmen geht.

 

Besitz und Eigentum

 

Für jeden normalen Menschen ist Besitz und Eigentum genau dasselbe. Für Juristen sind es Fachbegriffe aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), die zwei völlig verschiedene Rechtspositionen bezeichnen. Der Besitzer einer Sache "sitzt" nur auf ihr, d.h. die Sache ist bei ihm, deshalb muss sie ihm aber noch lange nicht gehören. Sie gehört dem Eigentümer. Eigentum und Besitz sind für Juristen zwei paar Schuhe, an die das Gesetz ganz unterschiedliche Rechte und Pflichten knüpft.

 

glaubwürdig und glaubhaft

 

Im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet "glaubhaft" und "glaubwürdig" ein und dasselbe. Bei Juristen ist das nicht so. Sondern in der Fachsprache der Juristen ist eine Aussage glaubhaft und der Mensch, der sie macht, glaubwürdig - keinesfalls umgekehrt! Die Aussage kann also nicht glaubwürdig sein und der Mensch nicht glaubhaft. Warum das so ist, keine Ahnung, aber wenn ein Jurist das verwechselt, wird er von seinen Berufskollegen nicht für voll genommen.

 

Dr. Sybille Weber

Rechtsanwältin